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Ansprache anlässlich des Volkstrauertages am 17. November 2019 auf dem Friedhof Wita Poschtowa

17.11.2019 - Artikel

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Gäste, liebe Kinder und Jugendliche,

lieber Pastor Lassi,

Volkstrauertag
Volkstrauertag am 17. November 2019 auf dem Friedhof Wita Poschtowa© Deutsche Botschaft Kiew

zum letzten Mal habe ich hier im November 2014 gestanden, gut zwei Monate nach der Schlacht bei Illowaisk. Dabei starben mehr als 1000 Menschen in wenigen Tagen, und ich hörte den Begriff „Kesselschlacht“ wieder, den ich sonst nur aus Geschichtsbüchern über die Weltkriege kannte. Damals war mir der Anlass dieses Gedenktages, des Volkstrauertags, präsenter denn je. Denn wir gedenken an diesem Tag aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Jetzt sind fünf Jahre vergangen, und der Krieg im Osten der Ukraine, der unserem Gastland von seinem Nachbarn Russland aufgezwungen wurde,  dauert immer noch an. Jede Woche sterben Menschen, Soldaten und Zivilisten. Letzte Woche war ich an der Kontaktlinie und habe dort Gräben wie im Ersten Weltkrieg gesehen.

Welch Anachronismus, Schlafstätten und Küchen unter der Erde zu sehen, durch Holz und Boden vor Artilleriebeschuss geschützt, wie vor hundert Jahren!

Der Krieg im Donbass dauert schon mehr als fünf Jahre, länger als der Erste Weltkrieg und, wir mir letztens eine Holocaust-Überlebende in Berdytschew sagt, auch schon länger als der zweite Weltkrieg, der „deutsche Krieg“, in der Ukraine.

Der Erste Weltkrieg sollte der Krieg sein, der alle Kriege beendet, aber stattdessen war er nur einer der Gründe für die noch größere Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Aus jener Zeit liegen auf diesem Friedhof allein 26000 deutsche Soldaten. Auf einem anderen der großen deutschen Kriegsgräberstätten in der Ukraine, in Kirowohrad, ist einer meiner Verwandten begraben.

Der Boden hier ist aber auch vom Blut der im zweiten Weltkrieg gefallen Ukrainer und anderer Rotarmisten getränkt, und ganz in der Nähe, in Babyn Jar, liegen Hunderttausende Opfer der Shoah, die der deutschen Schuld im Zweiten Weltkrieg noch einmal eine ganz andere Dimension gibt.

All diese Toten, zusammen mit denen, die im Donbass starben und immer noch sterben, mahnen uns, wo wir auch sind, für Frieden zu kämpfen und speziell hier nichts unversucht zu lassen, die kriegerischen Handlungen im Osten der Ukraine zu beenden und den Menschen dort wieder Hoffnung auf eine friedliche Zukunft zu geben.

Daran arbeitet auch Deutschland, zusammen mit europäischen Nachbarn, die in beiden Weltkriegen unter deutscher Kriegssucht zu leiden hatten.

Und das gibt uns auch am heutigen Tag Trost: wir erinnern uns der Opfer zusammen mit früheren Gegnern, Europäern, Amerikanern, Ukrainern, versöhnt und als Freunde.

Herzlichen Dank, dass Sie heute alle gekommen sind und den hier in Stein gemeißelten Spruch „Versöhnung über den Gräbern“ Wirklichkeit werden lassen.

Ich möchte Sie nun bitten, in einer Schweigeminute der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken.

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